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Tete aux Vents

Morgen über dem Mont Blanc Massiv

Morgen über dem Mont Blanc Massiv

Vom Tete aux Vents geht es fast nur noch bergab oder eben bis zum letzten VP La Flegere. Ich sammle J. wieder ein der wohl eine Menge Zeit mit fotografieren verbracht haben muss. J. hat vor nächste Woche den Tor des Geants zu laufen und lässt es daher ein wenig Gemütlicher ausklingen. Am letzten VP nehme ich nur noch einen Schluck Wasser und einen Keks. Durch ein Skigebiet ein Stück runter, dann 30HM wieder hoch und ab jetzt garantiert nur noch bergab bis ins Ziel. Wir lassen es ruhig angehen. Das wäre jetzt die letzte Möglichkeit noch ein DNF durch Verletzung zu ergattern also lieber Vorsichtig. So ganz zurechnungsfähig komme ich mir nämlich auch nicht mehr vor. Der letzte Abstieg zieht sich. Erst schaut es so aus als wäre das Dorf unten im Tal schon Chamonix und gar nicht mehr so weit weg aber dann zeigt sich das Chamonix erst ein Stück weiter das Tal hinunter liegt und außerdem eine ganze Ecke tiefer. Wir kommen durch La Flora, einem Biergarten in dem viele Japaner sitzen und fleißig klatschen und ab hier sind die Single Trails zu ende, ein breiter Weg empfängt uns und wir legen wieder etwas an Tempo zu. Einige haben es jetzt sehr eilig und überholen. Als es endlich eben geht steigt meine Zuversicht den Rest in passabler Geschwindigkeit laufen zu können und ich überhole durch Chamonix hindurch Läufer nach Läufer.

Chamonix

Es ist eine Menge los in Chamonix. Leider bekomme ich nicht so viel davon mit. Warum weiß ich auch nicht. Alles ist ein wenig unwirklich. Eine Frau ruft ?quelle energie?. Ja, Energie ist jetzt wieder im Überfluss da, muss ein verspätetes Runners High sein. Der Weg macht noch einige Ecken bis es auf die Zielgerade geht, kurz vorher überhole ich noch den Finnen der vorhin so keck an mir vorbeigestochen ist und dann bin ich auf der Zielgerade. Leider läuft da eben ein Mann mit seinen Kindern und der Ehefrau auf der ganzen Breite und blockiert das Ziel. Was tun? Freundlich lächeln und versuchen dem Familienausflug nicht im Zielfoto rumzueiner? Überholen geht ja nicht. Stehenbleiben wäre bescheuert. Am rechten Rand klatscht jemand und das war es dann. Ich kann mich nicht erinnern wie ich ins Ziel kam und wie der Anblick der Zielgerade war weil ich zu beschäftigt mit der Entourage des Mitläufers war. Zielfoto gibt?s von mir auch kein Gescheites. Ganz Toll. Im Ziel selbst wird der Anhänger vom Rucksack entfernt, man geht durch das Zelt mit der Webcam das man aus dem Netz kennt und bekommt eine Finisherweste in die Hand gedrückt. Das war's, da steht man nun auf dem Dorfplatz. Ich gehe zur Kirche in den Schatten und ordne meine Sachen, packe die Stöcke ein. etc. Dann fällt mir auf das ich ja telefonisch nicht erreichbar bin weil ich mein Handy an einem der letzten VPs auf Navi gestellt hatte und das jetzt wie ich schon während des Laufs aus de Rucksack gehört habe keinen Strom mehr hat. Stelle mich also auf die Stufen der Kirche und halte nach Ausschau nach meinen Lieben. Zum Glück finde ich sie auch gleich. Die letzte Zeitmessung in Flegere hatte wohl nicht funktioniert deswegen waren sie erst ein paar Minuten nach mir im Zielbereich. Macht aber nichts, Hauptsache wir haben uns gefunden. Das Cafe direkt neben dem Ziel verlassen wir nach ein paar Minuten wieder weil es einfach zu laut ist und gehen stattdessen in das Cafe zwei Straßen weiter in dem wir schon vor 42 Stunden saßen. Zwei Tage, es fühlt sich an wie zwei Wochen? Mir war unterwegs als wäre ich immer schon gegangen. Die Wahrnehmung für Zeit gerät durch das durchlaufen der Nächte schwer außer tritt. Ein Bier muss her. Rechts neben uns laufen weitere Läufer durch die schmale Gasse zum Ziel. Ein Mann mit offensichtlichen schweren Haltungsschäden läuft durch. Behinderter? Kann eigentlich nicht sein das der so den ganzen Lauf durchgestanden hat. Im Fernsehen auf Eurosport sehe ich ein paar Tage später das es sich um einen Engländer handelte der seit Champex-Lac nur noch in dem Stil mehr torkelnd als laufend unterwegs war. Noch immer scheint die Sonne, mir geht es erstaunlich gut. Keinerlei Schmerzen in den Beinen. Stinke sicher wie ein Iltis aber damit müssen ja die anderen klar kommen, nicht ich. Nachdem ich mein Bier ausgetrunken habe kauft U. mich noch ein blaues UTMB-Shirt und holt meinen Dropbag ab. Das Duschen im Centre Sportiv gestaltet sich problemlos. Ich schätze die meisten Leute sind gleich in ihre Hotels zum duschen gegangen. Der große Saal in dem die Startnummernabholung war ist jetzt ein Bettenlager mit Feldbetten auf denen viele, viele Läufer liegen. Die erste Gemeinschaftsdusche ist zwar voll aber in der zweiten bin ich fast alleine. Von Operationen an den Zehen sehe ich erst einmal ab und schlüpfe nach duschen und Zähne putzen einfach so in die mitgebrachten Sandalen. Merke: die Schuhe die man sich für nach dem Rennen mitnimmt sollten ein paar Nummern zu groß sein.


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